Wir wissen, dass wir uns auf ein Abenteuer einlassen. Pilotenberichte über die Türkei sind Mangelware. Wir wissen nur: Es geht. Wie es gehen wird, erfahren wir jetzt. Es ist schon Ende September, die Tage sind schon kürzer, dafür ist es in den Südländern nicht mehr so knackig heiß. Es geht los.

 

Der erste Schildbürgerstreich erreicht uns schon auf der ersten Etappe. Wir fliegen den internationalen Verkehrsflughafen Debrecen in Ungarn an. Der Radarlotse übergibt uns an die Infofrequenz. Der Controller murmelt etwas von „no service“. Wir können uns keinen Reim darauf machen. „Melden Sie Platz in Sicht, auf Wiedersehen.“ Auf der Towerfrequenz herrscht Grabesstille. Nochmalige Rückfrage beim Info-Lotsen. „Ich habe doch gesagt, Debrecen hat heute keinen Service.“ Was nun? Wir landen ohne Funk und Freigabe. Am Boden ist alles verwaist. In der hinteren Ecke werkeln ein paar UL-Flieger. „Nein nein, der Platz sei nicht geschlossen – aber eben „no service“. D.h. für uns auch kein Kraftstoff und kein Zoll für den Weiterflug.

 

 

Aus dem Nichts taucht ein Polizist auf, kontrolliert unsere Ausweise, inspiziert das Flugzeug und verschwindet wieder.

Wir müssen tanken. Morgen soll es nach Constanta am Schwarzen Meer gehen. Wir bekommen den Tipp, zum 15 min. entfernten Platz Nyíregyháza zu fliegen. Die Tanks werden befüllt, wir beziehen unser Nachtquartier. Nyíregyháza (das sprechen Sie mal locker nach) ist leider kein Airport of Entry. Da Ungarn die Schengen-Außengrenze der EU darstellt, dürfen wir nach Rumänien, EU-, aber nicht Schengen-Mitglied, nur mit Pass- und Zollkontrolle einfliegen. Zurück nach Debrecen? Bringt nichts, auch heute noch „no service”. Neuer Tipp: Fliegen Sie ca. 30 min zurück in die Slovakei nach Košice. Es funktioniert. Die EU macht das Reisen doch so einfach!

Die Landschaft unter uns ist unspektakulär. Wir gleiten über die Puszta hinüber nach Rumänien. Nichts deutet auf den Aufenthalt von Dracula in den transsylvanischen Bergen hin. Auch in Constanta – von hier brach der Blutsauger per Schiff zu seinen Beutezügen auf – deutet nichts auf seine Existenz hin.

 

Die dritte Etappe wird spannend. Wir nähern uns Istanbul. Der größte Flughafen „Attatürk" auf der europäischen Seite darf VFR nicht angeflogen werden. Dafür gibt es den etwas kleineren Platz „Sabiha Gökçen” auf der asiatischen Seite. Die Sicht ist nicht so toll. Wir schleichen uns an der Schwarzmeerküste entlang, immer schön unter der Kontrolle von ATC. Im Luftraum der türkischen 13-Millionen-Stadt brennt die Luft. Im Funk gibt es keine Unterbrechung, dafür mehrere Frequenzwechsel. Die Bitte nach einem Besichtigungsschlenker über der Stadt verkneife ich mir. Sabiha TWR weist uns in den Downwind 06 und wir haben gleich asiatischen Boden unter den Rädern.

 

 

Istanbul darf noch ohne Genehmigung angeflogen werden, für alle weiteren Plätze ist eine Permission erforderlich. Die ist zwar rechtzeitig beantragt, aber noch nicht da. Geduld ist angesagt. Wer meint, Deutschland sei ein bürokratischer Staat, der kennt die Türkei nicht. Schon nach 1½ Stunden Formalismen können wir nach einem Taxi Ausschau halten, das uns in unser vorbestelltes Hotel in der Altstadt bringt. Während der 80-minütigen Taxifahrt klingelt mein Handy. Die ersehnte Mail mit der Permission-Number für den Weiterflug leuchtet im Display.

 

Istanbul ist schon allein eine Reise wert. Wir haben 1½ Tage reserviert, entsprechend kompakt ist das Programm. Hagia Sophia, Blaue Moschee, Großer Basaar sind Institutionen, vor denen sich keiner drücken kann. Von unserem Quartier nahe der Altstadt im asiatischen Teil verkehren ständig preiswerte Fähren über den Bosporus zum europäischen Stadtteil. Morgens sind das nützliche Frühstücksschiffe für alle, die es eilig haben. Die Sehenswürdigkeiten sind alle fußläufig zu erreichen und wir schieben uns mitsamt den anderen Touristen durch die hohe türkische Baukunst.

Abends tobt in der Altstadt das Leben. Kopftücher sind in ganz Istanbul weit und breit nicht zu sehen, die jungen Mädchen sitzen genau so wie bei uns in der Kneipe, quatschen und trinken ihr Bierchen dazu.

 

Der Verkehr ist heftig. Wieder brauchen wir 1½ Stunden zum Flughafen. Für den Abflug habe ich vorsichtshalber zwei Stunden kalkuliert. Es wurden fast drei Stunden. Es soll weitergehen nach Sinop, immer entlang der Schwarzmeerküste. In der Türkei muss auf den veröffentlichten Airways geflogen werden. Unter VFR nicht unbedingt in den Höhen, aber auf Überraschungen müssen wir uns einstellen. Entlang der Küste ist das Wetter undurchsichtig. Streckenweise ist Staubewölkung zu erkennen. Wir machen von unserer IFR-Option gebrauch. Unter Mithilfe der Damen vom AIS füllen wir unseren Flugplan aus. Im Feld 18 darf unter RMK die Permission-Nr. nicht fehlen.

 

Wir bekommen als Flughöhe die Flugfläche 130 zugewiesen. Unsere vollbeladene Diesel-Cessna steigt nur langsam. Nach fast 30 min bei rund 12000 Fuß geht mir die Luft aus, wir müssen runter. Wir bitten um niedrigeren Flightlevel. Negativ, der Airway hat nun mal FL130. Mein Puls steigt, im Kopf kribbelt es. Drei Mal wird die Bitte (immer mit der gleichen Begründung) abgelehnt. Wir müssen dringend runter. Nach längerer Diskussion, die wohl im Hintergrund geführt wurde, bietet uns die Controllerin an, den Flug unter VFR in niedriger Höhe fortzusetzen. Zum Glück ist die Staubewölkung harmloser als befürchtet. Wir erreichen in 5000 ft unser Ziel Sinop. Wir erlauben uns noch eine Runde in 2000 ft über der Halbinsel und werden auf dem Platz schon erwartet. Wir sind das einzige Flugzeug am Platz. Wir versuchen immer gleich nach der Landung unsere Tanks wieder voll zu bekommen. Dann können wir dem Start am nächsten Tag ruhig entgegen sehen. Der Tankwart hat nicht aufgepasst. Der Kraftstoff ergießt sich über Tragfläche, Rumpf und Vorfeld. Kein Problem – eine Putzkolonne gibt dem Flieger eine kostenlose Komplettwäsche.

 

Die Saison ist vorbei, Touristen kaum noch zu sehen, die Hotels sind preiswert, wir mischen uns unter die Einheimischen. Ein Restaurant für das Abendessen ist schnell gefunden. Im Fischgeschäft mit reichhaltiger Auswahl suchen wir ein schönes Exemplar aus, das uns in der Etage darüber zubereitet wird.

Über dem Pontischen Gebirge mit seinen Gipfeln bis über 2500m Höhe liegt dichte Bewölkung. Wir versuchen es wieder IFR. Wolfgang verhandelt am Telefon mit dem zuständigen Flugleiter in Ankara um eine Flugstrecke bis max. 10000 ft zu bekommen. Der Flugplan wird entsprechend gefiled und auf geht's. Aber da haben wir wieder mal die Rechnung ohne den örtlichen Fluglotsen gemacht. Der beharrt wieder genauso stur auf FL160. Für uns unmöglich, wieder das gleiche Frage-und Antwort-Spiel. Es geht VFR weiter, wir kämpfen uns fast legal durch die Wolkentürme, haben hin und wieder Erdsicht. Die zuständige Controllerin gibt uns mit Hilfe ihres Wetterradars noch eine Umleitung frei und wir erreichen bei Ankara wieder volle Sichtflugbedingungen.

 

Im Oktober sind die Felder abgeerntet. Die Erntmaschinen haben ihre symmetrischen Spuren hinterlassen. Nur von hier oben sind die Muster zu erkennen. In frühen Jahren hat in der Türkei die Erde gebebt. Ein Vulkan am anderen hat seine heiße Last gen Himmel geworfen und die Landschaft darunter geformt. Der vulkanische Ursprung ist noch heute deutlich zu sehen. Wir sehen erloschene Vulkankegel, die wie Landmarken im Gelände stehen, weite Gebiete an denen man heute noch den Fluss der Lavamassen erahnen kann. Wasserläufe, die sich tief in das Vulkangestein eingegraben haben und von Wind und Wetter erodierte Flächen geben der Landschaft einen fast unwirtlichen Reiz.

 

Wir nähern uns (nach Istanbul) dem zweiten Höhepunkt unserer Reise: Kapadokien. Der Controller von Nevşehir Kapadokia Airport hat nichts dagegen, dass wir noch einen Moment in niedriger Höhe über der eigenwilligen Gegend herumkurven. Wir sind wieder das einzige Flugzeug auf dem riesigen, voll ausgerüsteten Verkehrsflughafen. Ein Taxi bringt uns in den nahegelegenen Ort Göreme. Wir befinden uns in einem riesigen Landschaftsbecken, das nach einem Vulkanausbruch vollständig mit einer hohen Ascheschicht bedeckt war. Die Erosion der Jahrtausende hat Tuffsteinkegel hervorgebracht, die von den dort lebenden Menschen ausgehöhlt und bewohnt wurden. Bizarrer kann eine Landschaft nicht sein! Hier sind noch genügend Touristen aus aller Welt. Es werden Ausflüge zu den Highlights von Kapadokien angeboten.

Morgens um 5 Uhr ruft der Muezzin. Schon lange nicht mehr persönlich, dafür vom Tonträger über riesige Druckkammerlautsprecher, hoch oben an den Minaretten montiert. Wir schauen noch etwas schlaftrunken aus dem Fenster. Der Himmel ist voller Heißluftballone, die fauchend über das Tal schweben. Da müssen einige Leute schon früh aufgestanden sein. Wir gönnen uns noch ein Stündchen. Morgen werden wir auch noch einmal ein paar Kreise über dem Gebiet ziehen, bevor wir auf Kurs nach Süden gehen.

 

 

Wir sind schon früh am Flughafen und es kommt mal wieder alles anders. Das Wetter ist prächtig und wir wollen unseren VFR-Flugplan nach Gazipasa an der Mittelmeerküste aufgeben. Heute ist wohl ein anderer verantwortlicher am Platz. Nein, VFR geht überhaupt nicht. Dass wir bisher vorwiegend so geflogen sind, interessiert nicht. Wenn wir denn unbedingt VFR fliegen wollten, müssten wir einen türkischen Piloten mit an Bord nehmen. Nur das nicht! Wir wählen IFR bei blauem Himmel und freuen uns, schon früh in der Luft zu sein. Eine Fotorunde über Göreme, wie ich es mir vorgestellt hatte, ist somit nicht möglich. Mein Ärger ist groß, hätte ich das bloß schon während der Ankunft erledigt, als der Lotse großzügig war.

 

So steigen wir wieder in die höheren Flugflächen, lassen die Vulkanlandschaften an uns vorüber ziehen und erfreuen uns an den erodierten Sedimentgesteinen. Die Küste kommt in Sicht, der Radarlotse verweist uns an Gazipasa TWR. Keine Antwort, auch auf mehreren anderen Frequenzen. Wir haben noch etwas Zeit, da Höhe anzubauen ist. Was tun? Der nächste Platz wäre Antalya, fast eone Stunde entfernt. Wir entscheiden, es drauf ankommen zu lassen. Im langen Endteil meldet sich plötzlich der Turm, gibt die Landefreigabe, alles in bester Ordnung? Wohl nicht. Unsere Landegenehmigungen waren alle auf Datum und Uhrzeit terminiert. Da wir früher als genehmigt gestartet sind, war der Zielplatz noch nicht besetzt. Aufgrund unseres Flugplans hat die Flugleitung in Ankara die Flughafenmannschaft von zuhause zum Flughafen beordert. Das ging gerade noch rechtzeitig.

 

Gazipasa ist ein internationaler Verkehrsflughafen. Er ist erst vor ein paar Jahren in Betrieb gegangen als Entlastungsflughafen für Antalya, der im Sommer aus allen Nähten platzt. Jetzt in der Nachsaison verirrt sich kaum noch ein Flugzeug zu dieser Ausweichpiste. Wir stellen heute wieder das einzige Fluggerät - der nächste Linienflug wir für morgen nachmittag erwartet - dar.

Wir finden Quartier direkt am Meer wo wir uns noch ein Bad gönnen wollen. Während wir in der Strandkneipe noch unseren Durst löschen, zieht ein heftiges Regengebiet auf und verleidet uns unseren Plan. Die Stadt selbst ist keiner Erwähnung wert, nicht schön, nichts zu sehen, das Essen schlecht. Bloß weg hier.

 

VFR ist hier wieder gar kein Problem. Die Route geht auf den Airways über Antalya, Bodrum nach Selcuk (Ephesos). Westlich von Antalya beult sich das Land nach Süden aus. Die gerade Airwaystrecke führt über den westlichen Teil des Taurusgebirges mit Gipfeln bis 2800m. Aus der Ferne sehen wir Wolkentürme über den Bergen stehen und sind nicht sicher, ob wir da VFR durchkommen. Wir bitten Antalya Radar von der Route abweichen zu dürfen, um in niedrigerer Höhe der Küste zu folgen. Auch hier wieder strikte Ablehnung. Die Route verliefe nun mal so und da gibt es keine Ausnahme. Wenn wir nicht in der Lage seien der Route zu folgen, müssten wir in Antalya landen und auf besseres Wetter warten. Bloß das nicht, wir fliegen weiter. Dicht unter der Untergrenze umfliegen wir die höchsten Gipfel und haben nach einer halben Stunde wieder freien Blick.

 

Wir nähern uns der Ägäis und damit dem dritten Highlight unserer Reise. Über Bodrum geht es nordwärts nach Selcuk. Hier liegen die Ausgrabungsstätten von Ephesus unmittelbar am Flugplatzgelände. Wir drehen noch einen threesixty über dem Gelände, der wohl derart ausgedehnt war, dass sich die Towerlotsin schon nach unserem Verbleib erkundigte. Selcuk scheint uns der einzige General Aviation-Platz zu sein. Es steht einiges an leichtem Fluggerät herum, es gibt Avgas und es herrscht reger Flugbetrieb. Schon während des Anflugs sind die antiken Stätten und insbesondere das Große Theater zu erkennen.

 

 

Wir starten unsere Besichtigungstour – und sind nicht die einzigen. Dieser Ort kennt keine Saison. Die Menschenmassen kommen in Strömen, das Sprachgewirr ist komplett. Wir schwimmen mit im Massenstrom, haben mal ein Ohr bei einer deutschen Gruppe, mal bei einer englischen oder horchen auch mal bei Franzosen hinein und sparen uns so die eigene Führung.

Ein antikes Aquädukt durchzieht das saubere und gemütliche Städtchen. Das Essen schmeckt und das Efes-Bier löscht den Durst.

 

Leider ist Selcuk kein Airport of Entry. Wir müssen wieder südwärts nach Bodrum, um Pass- und Zollkontrolle hinter uns zu bringen. Über die Griechische Inselwelt hinweg steuern wir die unter Seglern beliebte Insel Skiathos an, um noch einen Badetag einzulegen. Doch auf der malerischen Insel herrscht absolut „tote Hose", die Saison ist wirklich beendet. Das Wetter ist bedeckt, ein Badestrand fußläufig nicht zu erreichen und abends haben wir schon ein Problem, ein ordentliches Restaurant zu finden. Also wollen wir gleich am nächsten Morgen weiterziehen.

Wir erfahren, dass der Flugplatz erst um 14 Uhr öffnet. Vorher werde kein Flugzeug erwartet und es lohne nicht, den Platz früher zu öffnen. Wir könnten aber schon um 13 Uhr kommen, tanken und den Flugplan aufgeben. Das war wohl eine griechische Zeitangabe, vor 14 Uhr erscheint niemand zum Dienst. Die Flugplanaufgabe noch Skopje in Mazedonien gestaltet sich schwierig. Der Computer verdaut mal diesen, mal jenen Punkt nicht, bis er nach einer halben Stunde endlich zufrieden gestellt ist. Nach eineinhalb Stunden können wir Gas geben.

 

Über Wasser geht es über Thessaloniki geradenwegs auf die Mazedonische Hauptstadt zu. „Skopje Alexander the Great" heißt der Flughafen. Da gilt es, alte Geschichtskenntnisse auszugraben. „333 – bei Issos Keilerei" hat wohl jeder gelernt. Das war Alexander der Große, der Mazedonier, bei seinem Sieg über die Perser. Der Heerführer wird heute noch sehr verehrt. Gerade hat ihm die Stadt Skopje ein überragendes Denkmal gesetzt, zum Ärger der Griechen, die alle Ehre für sich beanspruchen. Da halten wir uns raus und geben es auf, die kyrillischen Schriftzeichen im Stadtbild zu entziffern.

Es wird wieder spannend. Wir wollen über die ehemaligen Jugoslavien-Staaten nach Pula. Die junge Dame vom AIS stellt mir ein VFR-Routing zusammen, das führt geradewegs durch albanischen Luftraum. Das wollte ich vermeiden, da Albanien immer noch eine Überfluggenehmigung fordert. Wir basteln an der Strecke um Albanien herum. Ob ich denn eine Überfluggehmigung für Kosovo, Montenegro und Bosnien-Herzegowina hätte. Meine Recherchen hatten ergeben, dass nichts erforderlich sei. Die Dame wiegt bedenklich ihr Haupt. Na ja, auf meine Verantwortung will sie den Flugplan eingeben, könne aber nicht sagen, was unterwegs passieren kann. VFR-Flugpläne werden nur eingegeben aber nicht bestätigt. Wir starten.

 

In Ermangelung detaillierter VFR-Karten haben wir uns hin und wieder auf die Luftraumdarstellung des GPS verlassen. Einige Meilen vor uns taucht ein wildes Konglomerat von Beschränkungsgebieten auf. Da kommen wir nicht durch. Aber ATC hat schon reagiert. Wir bekommen einen neuen Waypoint, die Frequenz von Tirana Radar, und schon sind wir im abgeschotteten Albanien. Der Lotse führt uns noch um ein weiteres militärisches Gebiet herum und schickt uns wieder auf den alten Kurs nach Podgorica in Montenegro. Weiter über Bosnien-Herzegowina kommen wir nördlich von Dubrownik an die Kroatische Adria. Bei all den Umleitungen verlieren wir gelegentlich den Überblick, über welchem Land wir uns gerade befinden.

 

Alle Bedenken waren umsonst, wir wurden nicht abgeschossen, nicht zur Landung gebeten, ein völlig normaler Flug mit ausnahmslos professionellen und perfekt Englisch sprechenden Fluglotsen. Oder Fluglotsinnen. Diese Tätigkeit scheint inzwischen ein Frauenberuf zu sein. Auf der gesamten Reise wurden wir zu ca. 70% von netten und kompetenten Damen geleitet.

In niedriger Flughöhe ziehen die vielen bewohnten und unbewohnten Inseln unter uns vorbei. Die VFR-Strecke ADRIA 1 scheint nach dem Gesichtspunkt des Sightseeings angelegt zu sein. Wir schweben in Pula ein und können während des Anflugs mitten in der Stadt das antike Amphitheater erkennen. Obwohl auch hier die Saison schon zu Ende ist, schlendern noch genügend Touristen in der Altstadt umher, sodass die abendliche Versorgung gesichert ist.

 

 

Die letzte Etappe bringt uns wieder nach Hause. Ein letzter Höhepunkt, eine Alpenüberquerung bleibt uns leider verwehrt. Das Bergmassiv ist zwar frei, aber südlich und nördlich davon ist es dicht. Wir wählen die östliche Route über Slovenien, Österreich, Tschechien und landen nach 39 Flugstunden wieder auf unserem Heimatplatz Schönhagen.


Kraftstoffversorgung

In Ländern, in denen die Privatfliegerei selten bis exotisch ist, gibt es kaum Avgas. Die Berufsfliegerei braucht nur Jet A1. Wir wählten deshalb eine C172 mit Thielert-Dieselmotor. Das ergibt dann eine Endurance von ca. sechs bis sieben Stunden. In Gegenden, wo die anfliegbaren Plätze weit auseinander liegen, eine schöne Beruhigung. Jetzt gilt es nur noch, den Kraftstoff aus den dicken Tankrohren in die kleinen Einfüllstutzen des Fliegers zu bekommen. Es kann dauern, bis die passenden Übergangsstücke montiert sind.

Bleibt immer noch der ungläubige Blick des Tankwarts. Soll wirklich der Jetfuel in die Tanks? Er füllt ein, ist sich aber bis zum Schluss nicht sicher, alles richtig gemacht zu haben.

 

Kartenmaterial

Das ist das größte Problem. Jeppesen VFR-Karten gibt es bis zur Linie Ungarn-Kroatien. Alles südlich davon ist unentdecktes Niemansland. Man konnte sich bisher mit den amerikanischen Militärkarten ONC und TPC behelfen. Die waren dann zwar immer fast zehn Jahre alt und die Luftrauminformation lückenhaft bis unbrauchbar, aber wenigstens hatte man die Topografie und konnte die Karten durch eigene Eintragungen ergänzen.

Das Kartenwerk wurde inzwischen digitalisiert und wird als Papierversion nicht mehr vertrieben. Einige Flugbedarfshändler haben sich noch mit Restbeständen eingedeckt. Wenn die alle sind, gibt's nichts mehr. Die digitalisierte Version wird nicht vertrieben. Gut dran sind die Benutzer von elektronischer Planungssoftware. Da sind die Lufträume komplett dargestellt.

Hilfreich bis notwendig sind IFR-Low Level-Streckenkarten. Da auch VFR auf Airways geflogen wird, muss der Pilot die Waypoints kennen. Als Planungshilfe and teilweise auch zur Navigation hat sich der Freeflight Atlas*) bewährt.

Flugplatzkarten und Streckenkarten kann man vom AIS-C bekommen. Die haben die AIP vorliegen und kopieren gern.

*) The Pilot's Freeflight Atlas · absolutzero multimedia GmbH · www.pilotsatlas.com

 

Genehmigungen

Informationen darüber, ob für ein Land Einflug-, Überflug- und Landegenehmigungen erforderlich sind, bietet das Internet oder der AIS-C. In der Türkei sind nur Istanbul und Izmir genehmigungsfrei anfliegbar. Genehmigungen werden erteilt von der Fa. Gözen Air Service in Istanbul. Servicefirmen wie z.B. FSI in Deutschland erledigen das auch, arbeiten aber mit Gözen zusammen.

Die Landegenehmigungen lagen auf allen Flugplätzen vor, so wie beantragt mit Datum und Uhrzeit. Die Permission-Number muss in jeden Flugplan eingetragen werden.

 

Wetterberatung

Im Ausland gehört das Thema nach wie vor zu den großen Problemen. Man kann es auf den einfachen Punkt bringen: Was der Pilot nicht selbst erbringen kann, das gibt es nicht (von einzelnen Ausnahmen abgesehen). Zum Glück reicht das Satellitenbild von pc-met bis in die Türkei. Einige türkische Wetterseiten liefern ergänzende Informationen. Da die Flugplätze in der Regel weit auseinander liegen, sind METAR und TAF für die Strecke nur begrenzt aussagefähig.

 

Gebühren

Hier wird es ernst! Die reinen Flughafengebühren sind moderat (20 bis 30€) Aber bereits bei der ersten Landung wird man vom Handling Agent vereinnahmt. Wie eine riesige Krake spannen sich dessen Arme über das gesamte Land. Ungebeten beansprucht er die Handlungshoheit auf allen Plätzen. Obwohl kein Vertreter am Platz anwesend ist, darf kein Tankwart ohne telefonische Freigabe von Gözen den Füllstutzen in den Tank stecken. Sämtliche Gebühren und Auslagen werden über Gözen abgerechnet. Da tauchen denn auch regelmäßig Positionen auf wie „Airport Slot, Flight Plan, Hotel Reservation, Transportation", obwohl kein Handschlag getan wurde. Dafür werden dann aber 100 bis 300€ berechnet.

 

Fotografieren

Die türkische AIP sagt, fotografieren aus der Luft ist verboten. Andere Informationen besagen, dass diese Beschränkung nur für die gewerbliche Tätigkeit gilt. Nach wiederum anderen Informationen darf nur in Begleitung eines türkischen Piloten fotografiert werden.

Weder flugrelevante Stellen noch Botschaft, Konsulat, Kulturabteilung fühlten sich zuständig. So bin ich fleißig meinem Hobby nachgegangen, hatte aber sicherheitshalber eine SD-Speicherkarte mit unverfänglichem Inhalt in der Hosentasche. In der Praxis hat sich niemand dafür interessiert.

 

 

Autor Bernd Clemens

Über den Autor

Bernd Clemens ist erfahrener Privatpilot mit Nachtflugberechtigung. Über die Jahre ist er viel in Europa, Afrika, den USA und Asien umhergereist. Daher kann er in seinen Reiseberichten auf viel Wissen zurückgreifen. Derzeit ist er mit einer Diesel-DA40 unterwegs.

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