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Die Balkanhalbinsel, oder kurz der Balkan, zwar geografisch nicht eindeutig begrenzt, reicht von Kroatien bis Griechenland. Diese Gegend wollen wir fliegerisch erkunden. Unser Flugzeug, eine Diesel-DA40, steht schon in Chania auf Kreta. Lars hat die Maschine mit seiner Familie von Schönhagen runter geflogen, wir, Jürgen und ich wollen sie jetzt, Anfang September, wieder in ihren Heimathafen bringen.

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Ich war gewarnt. Von mehreren anderen Reisen in diese Gegenden wusste ich, welche bürokratischen Hürden dem Piloten das Fliegen schwer machen würden. Aber man kann es als Herausforderung sehen (s. fliegermagazin 4/2015 „Bei Bürokrates“). Amtliche VFR-Karten für Griechenland gibt es nicht. Einen ordentlichen Ersatz bietet die Greek Aviation Map der Greek Helicopters.

Die geplante Flugstrecke. Zur Einstimmung wollten wir einen Tagetrip auf die Insel Santorini machen. Ca. 45 min Flugzeit sind kein Problem. Vor zwei Tagen haben wir schon per Mail eine Slotanfrage an den Flughafen gerichtet. Aber hier fangen die Probleme schon an. Die Öffnungszeiten der griechischen Flughäfen sind im Internet veröffentlicht und Slots für VFR-Flüge gibt es nicht – theoretisch. Aber wenn heute kein gewerbliches Flugzeug mehr landet, wird der Flughafen einfach geschlossen. Manchmal wird sogar ein Notam herausgegeben. Und die Slots werden mit mangelnden Abstellflächen begründet. Dann entscheidet auch nicht der Flughafen selbst, sondern ein zentrale Stelle in Athen. Und das kann dauern.

Wir rufen morgens unsere Mails ab und siehe da, um sieben Uhr kam die Genehmigung, nur da hatten wir unseren Tag schon anderweitig geplant.

Morgen soll es dann richtig losgehen. Und schon müssen wir umplanen. Unser geplantes Ziel Ioannina hat bis auf Weiteres keinen Kraftstoff. Anderes Ziel: Zakinthos im Westen des Peloponnes. Santorini wollen wir aber doch nicht ganz streichen. Wir planen den Anflug des Archipels und wollen dann auf Westkurs gehen. Am Abend gebe ich noch schnell den Flugplan über das DFS-Portal auf und bekomme umgehend die Bestätigung auf‘s Handy.

Der Flieger ist getankt, alle Gebühren bezahlt – ohne Handling Agent geht nirgends mehr etwas – der Motor läuft, die Schwimmwesten sind angelegt, Funk mit dem Tower, request taxi. Nur hat der Fluglotse unseren Flugplan nicht bekommen (siehe Kasten). Es hilft nichts, Motor aus, neuen Flugplan, eine halbe Stunde warten und endlich kann es losgehen.

Über den Meldepunkt PAPA fliegen wir in Richtung NO nach Santorini. Das Wetter ist gut und nach 40 min Flug über die südliche Ägäis nimmt uns die freundliche Lotsin von Santorini in Empfang. Es ist kein Verkehr und wir dürfen den gesamten Archipel in niedriger Höhe befliegen wie wir wollen. Nach einer viertel Stunde sind alle Fotos im Kasten und es geht westwärts etwa eine Stunde über Wasser. Bei wolkenlosem Himmel geht das Meer im Dunst kontrastlos in den Himmel über, ohne dass ein deutlicher Horizont sichtbar wäre. Wir lassen den Autopiloten fliegen, der macht das besser als ich.

Die malerisch am Hang gelegene Stadt Thira auf Santorini.

Der letzte Rest vom weitgehend vesunkenen Vulkankrater im Santorini-Archipel.

 
Von Kreta zum Santorini-Archipel.Die Südspitze des Peloponnes kommt in Sicht. Griechenland hat trotz seines stark maritimen Charakters einen Gebirgsanteil von 77,9 % und wird daher als Gebirgsland eingestuft (Wikipedia). Und genau so zeigt sich das Land. Hügel, Berge, Bergketten mit beachtlichen Höhen. Einige Gipfel ragen bis über 2400 m in die Höhe. Wir überqueren das Taygetos-Gebirge und kommen in die militärische TMA (MTMA) Kalamata. Es geht entlang den vorgegebenen VFR-Strecken direkt über den Platz weiter an die Westküste. Die vorgegebenen Flughöhen orientieren sich weitgehend an den topografischen Gegebenheiten. Nach den teils karstigen Bergregionen kommen wir nun an die Küste mit seinem tiefblauen Meer. Das ist wieder Urlaubsregion mit malerischen Buchten und wassersportlichen Aktivitäten. Bei der Küstenstadt Pyrgos wechseln wir vom Peloponnes zur vorgelagerten Insel Zakinthos.

Anflug auf Zakinthos - Die Controllerin hat einige Linienanflüge zu bewältigen und lässt uns erst einmal weit draußen auf dem Meer warten.

 

Andravida APP übergibt uns an Zakinthos TWR. Die Dame am Funk macht einen gestressten Eindruck. Sie hat wohl gerade zwei weitere Anflüge zu bewältigen und schickt uns über dem Meer ins Holding. Da hat sie uns dann aber wohl vergessen. Nachdem Ruhe im Funk eingekehrt war, gebe ich eine Positionsmeldung ab und bekomme sofort das „cleared to land“.

Es ist noch Hochsaison. Der Taxifahrer bringt uns in einen Ferienort mit typischem „all-inclusive-Publikum“. Das muss man mal wieder mitgemacht haben. Wir finden kein ordentliches Fischrestaurant. „Die Touristen fragen das zu selten nach“ erklärt uns ein Wirt.

 

Nachdem auf Nachfrage auch in Zakinthos Tiefblaues Meer, karger Bewuchs und schroffe Buchten an der Küste der Insel Zakinthos im Ionischen Meer.unser Flugplan nach Ioannina nicht angekommen war, gebe ich von nun an alle Pläne vor Ort von Hand auf. In einer Bucht an der Westküste der Insel liegt ein an Land gespültes Schiff. Das wollte ich fotografieren. Doch die Route wurde wegen zu hoher Verkehrsbelastung abgelehnt. Im Funk war von hoher Belastung nicht viel zu hören. Dann eben gleich nach Norden über die Inseln Ithaka und Levkas durch die militärische TMA Preveza. Es ist Sonntag und das griechische Militär hat nicht viel zu tun. Auch hier werden wir problemlos über den Platz geleitet. Noch in der CTR liegt das große Naturschutzgebiet National Park of Amvrakikos Wetlands. In dem Feuchtgebiet tummeln sich Pelikane, Kormorane, Flamingos und im vorgelagerten Ambrakischen Golf werden sogar Delfine gesichtet. Aus der Flugzeugperspektive ist davon leider nicht viel zu sehen.

Ioannina zeigt sich auch sehr touristisch, allerdings mit vorwiegend einheimischen Urlaubern. Die gemütliche Altstadt ist innerhalb der vollständig erhaltenen Stadtmauer gelegen und am Uferbereich des Pamvotida-Sees kann man flanieren, essen, trinken und relaxen.

Jetzt fängt der Balkan richtig an. Unser nächstes Ziel heißt Ohrid in Mazedonien, dicht an der Albanischen Grenze. Schon in unserem Quartier auf Kreta erhielt ich die Nachricht, dass die mazedonische Luftfahrtbehörde noch Unterlagen für die Einflug- und Ladegenehmigung benötigt: Eintragungsschein, Lufttüchtigkeitszeugnis und Folgebescheinigung, Versicherungsnachweis. Schnell alles abfotografiert und per Mail weggeschickt. Dann kam die Genehmigung mit dem Hinweis, der Flughafen schließe um 0800 UTC. Das ist in Hellas 1100 loc, am Ziel 1000 loc. 

Anflug auf Ohrid in Mazedonien - nach dem Sinkflug aus den Bergen geht es über den Ohrid-See direkt ins final.Wir stehen früh auf, erhalten im Hotel ein  Früh-Frühstück und eilen zum Flughafen. Die Formalitäten sind bald erledigt, der Handling Agent ist zufrieden, der Tower ist besetzt – doch starten dürfen wir nicht. In meiner vorherigen Slotgenehmigung ist eine spätere Startzeit angegeben. Wir müssen warten, gnädigerweise dürfen wir dann doch 30 min vor der angegeben Zeit abheben. Jetzt wird die Zeit knapp. Ich streiche kurzerhand ein paar Points of Interest sodass wir noch pünktlich in Ohrid eintreffen. Der Anflug verläuft so leicht wie wunderschön über den Ohrid-See direkt ins final 02.

Die Klosterkirche St. Clement in Ohrid. Je nachdem, wer gerade im Land herrschte, wurde das Bauwerk als christliche Kirche oder islamische Moschee genutzt. Wir kommen in einen anderen Kulturkreis. Seit 1980 gehört die Stadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Orthodoxes Christentum und Islam treffen aufeinander. Über 360 Kirchen aus allen möglichen Epochen, Moscheen mit hohen Minaretten, Baustile aus der Frühzeit bis zur klassischen Moderne und eine faszinierende Altstadt. Offiziell wird kyrillisch geschrieben, in touristischen Gebieten lateinisch. Und bezahlen kann man in Euro.

 

Zwischen Griechenland und Kroatien gibt es keine aktuellen bzw. gar keine Flugkarten. Die alten amerikanischen ONC/TPC-Karten wie auch die Darstellungen auf dem GPS sind zur VFR-Navigation ungeeignet. Man muss sich behelfen. Ich bastele einen Flugplan nach Sarajevo in Bosnien zusammen. Wir müssen Albanien und Montenegro überfliegen. Aus der Low Altitude Enroute Chart nehme ich ein paar VORs und auf der Strecke liegende Waypoints. Ohne immer ganz genau zu wissen, wo wir im Moment sind, fliegen wir die immer wieder neu zugewiesenen Waypoints ab, die unser Garmin zum Glück alle kennt. Mal muss ich den Controller bitten, den Waypoint zu buchstabieren, ansonsten hat uns ATC den kürzesten Weg geschickt.

Berge... Schluchten... ...Stauseen

 

Für Sarajevo und Mostar (unser darauffolgendes Ziel) haben wir schon vor Reisebeginn das erforderliche SLOT and Handling request form eingereicht. An den gewünschten Start- und Landezeiten wurden wurde jedoch rumgemäkelt, davon später.

Und wieder sind wir in einer anderen Welt. Die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina ist weitgehend muslimisch geprägt. Wir stürzen uns ins Getümmel des touristischen Basarviertels mit seinen vielen Läden, orientalischen Kneipen und Restaurants. Das alte Jugoslawische Nationalgericht Cevapcici ist bei uns etwas in Verruf geraten. Dort haben wir die zartesten unseres Lebens bekommen. Wir lauschen dem Muezzin und können die Gazi Husrev Beg Moschee, die größte der Stadt, von innen besichtigen.

Es ist nur ein Katzensprung von knapp 30 Minuten Flugzeit nach Mostar, der Stadt an der Neredva, mit der bekannten Brücke. Schon während des Anflugs versuche ich das Wahrzeichen der Stadt auszumachen. Vergeblich, denn die Towerlotsin lenkt mich immer wieder ab. Hier in der Stadt tobten heftige Gefechte während des Bosnien-Krieges. Durch gezielten Beschuss wurde die berühmte Brücke zerstört. Mit vielen Fördermitteln wurde sie später originalgetreu aufgebaut und ist wieder der zentrale Touristenmagnet. Bestaunt werden die Brückenspringer, die sich mutig von der höchsten Stelle des Bauwerks in die 25 m tiefer gelegene Neredva stürzen. Sie springen allerdings erst, wenn ca. 50 Mark im Klingelbeutel zusammen gekommen sind. Ja, Mark, das ist hier die Währung und die ist genau soviel wert, wie die DM vor dem Euro. Wir schlendern noch ein wenig durch die Stadt und es fallen einige alte Gebäude auf, die heftigem Beschuss ausgesetzt waren. Im Stadtbild ist vom Krieg sonst nichts mehr zu sehen.

Anflug auf Mostar. Die berühmte Brücke von Mostar (Bosnien-Herzegowina) Wenn genügend Geld im Klingelbeutel ist, wird 25 m in die Tiefe gesprungen.

 

Am nächsten Tag haben wir noch etwas Zeit. Der Flughafen öffnet erst um 1400 loc. Die lokalen Spezialitäten wie türkischer Tee, türkischer Kaffee – hier heißt er Bosnischer Kaffee – und Ayran, der Trinkjoghurt, die wir in Sarajevo versäumt hatte, sind hier in Mostar nur noch schwer zu finden. So genießen wir in einem gemütlichen Kaffeegarten mit „the best view on the bridge“ die Getränke und bereiten uns auf das nächste Leg vor.

 

Venedig heißt das nächste Ziel. Die kroatische Inselwelt des Kornati-NationalparksMostar schickt uns zum Grenzübergangspunkt NETKO nach Kroatien. Ab hier gibt es wieder ordentliche VFR-Karten. Jeppesen mobile flight deck VFR beginnt in Kroatien und sonst habe ich noch eine ältere Papierkarte an Bord. In niedriger Höhe geht es die Kroatische Küste entlang. Die unendlich vielen Inseln, teils bewohnt teils unbewohnt, teils im Nationalpark der Kornaten und Naturpark Telašćica gleiten unter uns hinweg und wir können den ruhigen Flug mit wenig Funkverkehr genießen. Südlich der Halbinsel Istrien bei Pula nehmen wir Kurs auf Venedig. Am Meldepunkt Porto di Malamocco übernimmt Lido Aerodrome und wir haben einen fantastischen Anflug entlang der Landzunge der Lagune mit Sicht auf die venezianische Inselwelt.

 

Wir haben einen Fehler gemacht. Nicelli, der VFR-Platz von Venedig auf dem Lido. Der Anflug über die Lagune mit Blick auf die Hauptinsel und entlang der vielen kleinen Inseln ist ein unvergessliches Erlebnis.Da wir aus einem Nicht-EU-Land (Bosnien-Herzegowina) eingereist sind, hätten wir rechtzeitig mit einem extra Formular den Zoll bestellen müssen. Nun waren schon wir gelandet und mussten einige Belehrungen über uns ergehen lassen. Aber die Polizei wird das ausnahmsweise für uns regeln. Da sitzen wir auf der harten Bank der Polizei und die zwei diensthabenden Kollegen haben die Aufgabe, unsere Ausweisnummern an den Zoll weiterzuleiten. Wir müssen unser Mienenspiel unterdrücken da es sich wohl um eine nicht alltägliche Aufgabe handelt. Und schon in einer Viertelstunde war die gemeinsame Arbeit vollbracht.


Die Biennale di Venezia, die internationale Kunstausstellung, ist unser eigentliches Ziel. Unsere gesamte Zeit haben wir der zeitgenössischen Kunst gewidmet. Auf zwei Hauptstandorten, den Giardini und dem Arsenale, kann sich der Kunstbegeisterte die Hacken ablaufen.
Das Wetterglück scheinen wir gepachtet zu haben. Obwohl von Westen her eine Front heran zieht, sollte der Alpendurchflug gelingen, wenn wir nicht zu sehr trödeln. Es bietet sich die Standardstrecke über Trento, Bozen und Brenner an. Anfangs macht sich schon die leichte Bewölkung bemerkbar, aber unmittelbar hinter dem Brennerpass ist alles wie weggeblasen. Wir steigen noch einmal auf 10 000 ft um über den Bergkamm auf östlicher Seite zu kommen und können uns dann geruhsam vorbei am Hintertuxer Gletscherskigebiet durch das Salzachtal direkt in den Endteil von Zell am See gleiten lassen. Hier herrscht großes Messetreiben. Es findet gerade die Air Expo Zell, die größte Flugsportmesse Österreichs, statt. Und Ende August 2015 hat der Flugplatz ein neues An- und Abflugverfahren eingeführt. Noch nicht alle Piloten haben das richtig mitbekommen sodass der Flugleiter mit viel Geduld den Verkehr ordnen muss. Am Boden flitzen Helfer auf Motorrollern über die Rollwege um die zahlreichen ankommenden Flugzeuge einzuweisen.

 

Noch schnell einen Eisbecher im warmen Sonnenschein und bei gutem Wind und geradem Kurs rollen wir nach zweieinhalb Stunden wieder auf heimischem Asphalt.

 

Flugplanaufgabe
Seit geraumer Zeit ist es möglich Flugpläne weltweit über das Internetportal der DFS aufzugeben. Das ist sehr komfortabel, da sofort die Syntax geprüft wird und der Flugplan von jedem Ort online verschickt werden kann. Ein paar Minuten später erhält man per Mail eine Bestätigung, dass der Plan angenommen, verarbeitet und weitergeleitet wurde. Das beruhigt, sagt aber noch nicht, dass der Flugplan auch angekommen ist.
Die DFS nimmt den Flugplan entgegen und leitet ihn an die zuständigen Stellen weiter. Was dann weiter passiert, weiß niemand mehr. Wenn der örtliche Bearbeiter gerade Siesta hat, guckt der Pilot in die Röhre!

 

 

Autor Bernd Clemens

Über den Autor

Bernd Clemens ist erfahrener Privatpilot mit Nachtflugberechtigung. Über die Jahre ist er viel in Europa, Afrika, den USA und Asien umhergereist. Daher kann er in seinen Reiseberichten auf viel Wissen zurückgreifen. Derzeit ist er mit einer Diesel-DA40 unterwegs.